Sinhala New Year in Sri Lanka Das Singhalesische Neujahrsfest im Kreise meiner Gastfamilie
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Sinhala New Year in Sri Lanka Das Singhalesische Neujahrsfest im Kreise meiner Gastfamilie

Vor einigen Jahren stand ich an einem beruflichen Wendepunkt. Meine Tätigkeit als Juristin bereitete...

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Sinhala New Year in Sri Lanka Das Singhalesische Neujahrsfest im Kreise meiner Gastfamilie

Eintrag vom 01.08.2016 aus dem Reisefibel-Blog: Sinhala New Year in Sri Lanka (Christina Weinreich)

Vor einigen Jahren stand ich an einem beruflichen Wendepunkt. Meine Tätigkeit als Juristin bereitete mir keine Freude mehr und der Wunsch, völlig neue Dinge auszuprobieren, wurde immer stärker. Ich entschied mich zu einer einjährigen Auszeit, die ich mit meiner großen Leidenschaft: dem Reisen, verbinden wollte. Ich beschloss, für mehrere Monate als Freiwillige mit Kindern in einem Waisenhaus in Sri Lanka zu arbeiten und entschied mich für ein Kinderheim in Galle, einer größeren Stadt im Südwesten der Insel.

Während dieser Zeit lebte ich in einer sri lankanischen Gastfamilie. Meine Gastmutter hieß Lakmalie, war 36 Jahre alt und arbeitete in einer internationalen Schule in Galle als Vorschullehrerin. Sie war mit Priyantha, einem 37-jährigen Bankangestellten, verheiratet. Beide sprachen sehr gut Englisch, so dass die Verständigung kein Problem war. Lakmalie und Priyantha hatten eine kleine Tochter, Venuji, die damals vier Jahre alt war. Die Familie wohnte in einem großen modernen Haus in einem kleinen Vorort von Galle. Ich verlebte im Kreise der Familie eine wundervolle Zeit. Lakmalie, Priyantha und Venuji vermittelten mir das Gefühl, ein Teil der Familie zu sein. Durch sie habe ich Land und Leute besser verstehen gelernt. Pünktlich zum Abschluss meines Freiwilligenaufenthaltes erlebte ich noch ein richtiges Highlight: Ich durfte im Kreise meiner Gastfamilie das traditionelle singhalesische und tamilische Neujahrsfest (Avurudu) mitfeiern. Das singhalesische Neujahrsfest fällt regelmäßig auf den 13. oder 14. April. Das genaue Datum richtet sich nach dem Sonnenkalender. Man feiert den Übergang vom Tierkreiszeichen Meena Rashiya (Pisces) zu Mesha Rashi (Aries). Im Jahr 2009 fiel Neujahr auf den 14. April. Für die Singhalesen und Tamilen ist es das größte und wichtigste Fest des Jahres, das mit vielen jahrhundertealten Ritualen gefeiert wird. Charakteristisch sind bestimmte (astrologisch) berechnete Zeitpunkte, zu denen die Arbeit eingestellt und wieder aufgenommen wird bzw. zu denen gekocht und gegessen wird. Zudem hat die Kleidung am Neujahrstag eine besondere Farbe, in besagtem Jahr perlweiß. Insbesondere in den Dörfern spielen die Kinder und die Erwachsenen traditionelle Spiele, wie z.B. Tauziehen, Kissenschlacht und Eierlaufen. Besonders lustig das „Hinaufklettern auf eine fettige Kokosnusspalme": Die Teilnehmer müssen den Stamm einer Kokosnusspalme, der mit einer schmierigen Masse eingefettet ist, hinaufklettern. Es gewinnt derjenige, der als erster oben ist.

Bereits Tage zuvor begann meine Gastfamilie mit einer der wichtigsten Vorbereitungen: dem großen Hausputz. Alle Zimmer wurden von oben bis unten gesäubert: die Böden geschrubbt, der Staub von den Möbeln entfernt, die Fenster geputzt und die Gardinen gewaschen. Auch in den ohnehin sehr lebendigen Einkaufsstraßen von Galle ging es wesentlich hektischer zu, als gewöhnlich: Zahlreiche Läden und Straßenhändler lockten mit Sonderangeboten für Kleidung, Geschirr, Öllampen, Bananen, Süßigkeiten, Feuerwerkskörper etc. Auch meine Gastfamilie kaufte kräftig ein: einen neuen Tontopf für die Zubereitung des Frühstückes am Neujahrsmorgen, Tassen, Möbel, Lampen, Gardinen sowie Kleidung.
Das eigentliche Fest begann mit dem Sonnenuntergang am Abend des 13. April. Entsprechend der astrologischen Berechnung wurde pünktlich um 18.23 Uhr mit Feuerwerk und Böllern die sog. neutrale Zeit (Nonagatha) eingeleitet. Die neutrale Zeit dauert bis zum Neujahrsmorgen. Man stellt die Arbeit ein und löscht das Feuer, das von vielen Sri Lankanern, insbesondere in den Dörfern, noch immer zum Kochen benutzt wird. Zudem wird gefastet. Ein Besuch im Tempel gehört ebenfalls dazu.

Um 00.47 Uhr - ebenfalls astrologisch berechnet - begann das neue Jahr. Dieser Zeitpunkt ist allerdings eher unspektakulär. Man schläft... Jedoch musste ich am 14. April schon um 04.30 Uhr aufstehen, weil mir meine Gastfamilie erklärt hatte, dass man in diesem Jahr pünktlich um 05.05 Uhr das Feuer wieder anzündet, auf dem dann die erste Mahlzeit für das neue Jahr zubereitet wird. Beim Anzünden des Feuers muss in eine bestimmte Himmelsrichtung - in diesem Jahr: Norden - geschaut werden. Die erste Mahlzeit im neuen Jahr ist Kiri Bath (Milchreis). Das Anzünden des Feuers und die Zubereitung von Kiri Bath in einem neuen Tontopf ist im ganzen Land ein wichtiger Moment. Sogar im Fernsehen wurden diese Ereignisse live aus dem Haus des Präsidenten übertragen. Während also der Milchreis auf dem offenen Feuer köchelte, deckte Lakmalie den Tisch mit zahlreichen Süßigkeiten. Die Süßigkeiten - i.d.R. aus Reismehl - sind sehr farbenfroh und haben erstaunliche Namen wie, z.B. Kewum, Kokis und Asmee. Für europäische Geschmäcker sind sie sehr süß und ölig. Bananenstauden sind ebenfalls traditionelle Bestandteile des Neujahrsfrühstücks. Der Tisch wurde ferner mit einer brennenden Kokosöllampe - als Zeichen für den Wohlstand - geschmückt. Auf die Sekunde genau um 05.50 Uhr durften wir die Köstlichkeiten schließlich probieren. Im Anschluss fanden traditionsgemäß die ersten „finanziellen Transaktionen" statt. Priyantha, mein Gastvater, überreichte seiner Frau und der vierjährigen Tochter Venuji ein kleines Geldgeschenk. Dieses Ritual soll der Familie im neuen Jahr finanzielles Glück bringen. Mein Gastvater, ein Bankangestellter, musste sogar den halben Tag arbeiten. Denn viele Leute erledigen traditionell am Neujahrsmorgen ihre Bankgeschäfte (z.B. Konten eröffnen), um die finanziellen Angelegenheiten im neuen Jahr günstig zu beeinflussen. Der Rest des Tages war mit spontanen Besuchen von Verwandten und Freunden im Hause meiner Gastfamilie ausgefüllt. Meine Gastmutter stand den ganzen Nachmittag in der Küche und bereitete das Festmahl für den Abend zu, da sich viele Gäste angekündigt hatten. Ich habe diesen Tag und Abend, der leider mein letzter war, sehr genossen, und ich bin froh, dass ich das Glück hatte, dieses wichtige und traditionsreiche Fest in einer typisch sri lankanischen Familie mitfeiern zu dürfen.

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